Haftstrafe für Arzt auf Fuerteventura, der Patient mit Herzinfarkt aus Notaufnahme nachhause schickt

trotz starker Schmerzen in der Brust und auffälligem EKG schickt ein Arzt seinen Patienten nach hause

Die zweite Kammer des Provinzgerichts in Las Palmas hat im September 2019 einen Arzt des „Centro de Salud“ in Puerto del Rosario in zweiter Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Gefängnis und 3 Jahren Berufsverbot verurteilt. Außerdem muss er der Witwe und den vier Kindern des Verstorbenen eine Entschädigung von 240.000€ zahlen. Der Kanarische Gesundheitsdienst wurde zu einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung der Entschädigung verurteilt.

In erster Instanz hatte das Gericht in Puerto del Rosario den Arzt sogar zu zwei Jahren Gefängnis und vier Jahren Berufsverbot verurteilt.

Das Gericht in zweiter Instanz senkte das Strafmaß, weil die Fahrlässigkeit zwar schwer genug war, um als strafbar zu gelten, es aber keine Gründe dafür sah, von der Mindeststrafe nach oben abzuweichen.

Arzt interpretierte EKG fälschlicherweise als unauffällig

Die tödliche Fehlentscheidung des Arztes hatte sich bereits am 30.05.2011 ereignet. Der 57-jährige Mann kam um 2:00 Uhr morgens mit starken Schmerzen in der Brust ins Centro de Salud in Puerto del Rosario. Er war Raucher, übergewichtig und litt an Hyperurikämie (erhöhter Harnsäurespiegel im Blut).

Der Bereitschaftsarzt untersuchte den Patienten und schickte in eine Stunde später wieder nach hause, wo er um 9:00h verstarb. Der Arzt hatte hohen Blutdruck festgestellt und gab dem Mann zwei Tabletten. Ein EKG, das er veranlasst hatte, interpretierte der Arzt als unauffällig. Als Diagnose notierte der Arzt ein „akutes Koronarsyndrom“ im Bericht.

Der Arzt arbeitete eigentlich als Hausarzt in Antigua und übernahm Bereitschaftsdienste im Centro de Salud in Puerto del Rosario. Er erklärte in der Verhandlung, er hätte niemals Patienten mit Herzerkrankungen überwiesen und er hätte keine Anzeichen für einen Herzinfarkt gesehen. Stattdessen sah er den Grund für den Schmerz in der Brust in einem erhöhten arteriellen Blutdruck, weshalb er den Patienten auf einem Bett liegen ließ, bis der Schmerz verschwand.

Zeugen sagten aus, dass der Patient bei der Entlassung noch immer unter Schmerzen litt

Die Familie sagte dagegen aus, dass der Schmerz niemals nachgelassen hätte und dass er sich nicht einmal hinlegen konnte, nachdem er nach hause gekommen war.

Die Verteidigung des Arztes versicherte dagegen, dass er den Patienten über die Art des Schmerzes befragt, seine Krankengeschichte aufgenommen und Proben und diagnostische Maßnahmen durchgeführt hätte.

Die Verteidigung bestritt, dass der Patient die Klinik mit Schmerzen und bereits nach einer Stunde verlassen hätte. Der Herzinfarkt, der zum Tod geführt hatte, sei erst später eingetreten.

Die Gutachter, die als Zeugen gehört wurden, bestätigten jedoch, dass das EKG keineswegs unauffällig gewesen ist.

Die Verteidigung führte an, „dass es verständlich sei, dass ein Arzt in einer Notaufnahme ein EKG nicht gut interpretieren könne“. Die Richter der ersten Instanz hatten es bereits als „kafkianisch“ bezeichnet, dass ein Arzt eine Untersuchung anordnet, die er nicht interpretieren kann.

Zeugen bestätigen die Fahrlässigkeit des Arztes

Ein Krankenpfleger hatte ausgesagt, dass er selbst „Schmerz in der Herzregion“ im Bericht notiert und den Patienten sofort in den Reanimationsraum gebracht habe. Dafür hätte er vom Arzt Schelte bezogen. Außerdem habe der Arzt den Eintrag in „Schmerz in der Brust“ geändert. Der Pfleger sagte ebenfalls aus, dass der Patient niemals die Hand von der Herzregion weggenommen hätte. Die Verteidigung behauptete, dass er die Hand wegen der bequemeren Postion und nicht wegen Schmerzen dort gelassen habe.

Das Gericht sah es letztlich als erwiesen an, dass der Patient das Centro de Salud mit Schmerzen verlassen hatte und sah darin eine schwere Fahrlässigkeit des Arztes. Wäre der Patient ins Inselkrankenhaus überwiesen worden, damit der Infarkt mit den notwendigen Mitteln hätte behandelt werden können, wären die Überlebenschancen deutlich höher gewesen.

Die Verteidigung versuchte einzuwenden, dass es nutzlos gewesen wäre, einen Notarztwagen anzufordern um den Patienten ins Krankenhaus zu verlegen, da es auf Fuerteventura nur einen einzigen gäbe und dieser daher besetzt gewesen sein könnte. Das Protokoll hätte es dann sowieso nicht erlaubt, den Patienten in einem Krankenwagen ohne Notarztbegleitung zu transportieren.

Die gerichtsmedizinischen Gutachter erklärten, dass schon allein die sichtbaren Symptome (Schmerzen im Herzbereich, Hand permanent an der Brust,verkrümmte Haltung) und die offensichtlichen Risikofaktoren in jedem Fall zu berücksichtigen waren, selbst wenn der Arzt das EKG falsch interpretiert habe und wenn die allgemeine Situation des Gesundheitssystems auf Fuerteventura mangelhaft sei.

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