
Engelhaie gehören zweifelsfrei zu den Höhepunkten, die Taucher vor den Küsten Fuerteventuras erleben können. Die völlig ungefährliche Art kann mit etwas Glück sogar beim Schnorcheln beobachtet werden. Doch die Engelhaie sind durch diverse Faktoren stark vom Aussterben bedroht. Die Erwärmung des Meeres könnte den Rückgang der bizarren Haie nun noch beschleunigen.
Eine internationale Studie an den Küsten der Kanarischen Inseln hat aufgedeckt, dass sich weibliche Engelhaie (Squatina squatina) infolge der zunehmenden Meerestemperaturen anders verhalten als bisher: Sie meiden ihre traditionellen Paarungsgebiete, wenn das Wasser zu warm wird, und bleiben stattdessen in kühleren Gewässern. Diese Verhaltensänderung könnte gravierende Auswirkungen auf den Fortbestand dieser vom Aussterben bedrohten Art haben.
Die Untersuchung wurde unter anderem vom Projekt „Angel Shark: Islas Canarias“ durchgeführt, einer Kooperation zwischen dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (Deutschland), der Zoological Society of London (ZSL), der Queen Mary University of London und dem Instituto Universitario ECOAQUA der Universität von Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC). Im Namen des ECOAQUA-Instituts war der Postdoktorand David Jiménez Alvarado beteiligt.
Die Forscher untersuchten die Auswirkungen der Meereserwärmung mithilfe von akustischen Sendern und konzentrierten sich auf die Engelhai-Population in der „Reserva Marina de La Graciosa“, der größten Meeresreserve Spaniens nördlich von Lanzarote. Im Jahr 2022 erreichten die Oberflächentemperaturen dort über 23,8°C und hielten sich während der gesamten Fortpflanzungszeit über 22,5°C – fast dreimal so lange wie in den Vorjahren. Normalerweise versammeln sich die Tiere im Spätherbst in dieser Region zur Paarung. Während die Männchen im November wie gewohnt zurückkehrten, blieben die Weibchen diesem wichtigen Paarungsgebiet weitgehend fern.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Weibchen empfindlicher auf Hitze reagieren als Männchen. „Die Weibchen priorisieren offenbar die thermische Stabilität gegenüber der Fortpflanzung“, erklärte die Zoologin Dr. Lucy Mead vom ZSL und der Universität Lancaster. Da Engelhaie – wie die meisten Haie – ektotherm sind, also ihre Körpertemperatur von der Umgebung abhängig ist, könnten diese Temperaturunterschiede die Geschlechter in ihrer Reaktion spalten.
Ein weiteres besorgniserregendes Ergebnis: Während es 2019 nur 30 Tage mit Wassertemperaturen über 22,5°C gab, waren es 2022 bereits 85 Tage. Diese Temperaturschwelle könnte eine Art Obergrenze für das Verhalten der Weibchen darstellen.
Der Regierungsrat in der kanarischen Regierung und Meeresforscher Dr. David Jiménez Alvarado betonte: „Es ist wichtig zu verstehen, wie sich physikalisch-chemische Veränderungen im Ozean auf Schlüsselarten auswirken, die eine zentrale Rolle im ökologischen Gleichgewicht mariner Ökosysteme spielen.“ Nur so könnten wirksame Schutzmaßnahmen entwickelt werden.
Die Kanarischen Inseln gelten als letzter großer Rückzugsort für den Engelhai, der auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als vom Aussterben bedroht geführt wird. Die Tiere sind nicht nur ökologisch bedeutsam, sondern auch ein Aushängeschild für die örtliche Tauchindustrie.
Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachjournal Global Change Biology unter dem Titel „Rapid ocean warming drives sexually divergent habitat use in a threatened predatory marine ectotherm“ veröffentlicht. Unterstützt wurde das Projekt unter anderem vom Shark Conservation Fund, Oceanário de Lisboa, der Regierung der Kanarischen Inseln, der Fundación Loro Parque, Save Our Seas Foundation, Ocean Tracking Network, WWF Niederlande sowie der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft.
Mit Blick auf die erwartete weitere Erwärmung des Ozeans warnen die Forscher: Wenn die Temperaturen weiter steigen, könnten bisherige Schlüsselhabitate für Weibchen unbewohnbar werden. Das langfristige Monitoring dieser sensiblen Lebensräume auf den Kanarischen Inseln müsse daher ein zentrales Element jeder Strategie zum Erhalt der marinen Biodiversität sein.
Wenn Du unsere Inhalte nützlich, unterhaltsam oder informativ findest, kannst Du den Lohn für unsere Arbeit selbst bestimmen. Das geht ganz einfach über diesen Link:
