Die Insolvenz des drittgrößten Reiseveranstalters FTI Touristik GmbH hat nicht nur auf Fuerteventura und den übrigen Kanarischen Inseln, sondern weltweit, dazu geführt, dass Hoteliers sich gezwungen sahen, in den Überlebensmodus zu schalten und Entscheidungen zu treffen, die auf den ersten Blick alles andere als kundenfreundlich erscheinen.
Viele persönlich von der FTI-Pleite betroffene Urlauber, mit denen die Redaktion der Fuerteventurazeitung am Vormittag des 04. Juni 2024 in Costa Calma sprach, sahen sich Erpressung, Nötigung und in einigen Fällen sogar Beleidigungen ausgesetzt.
Die Sunrise Beach Hotels (SBH) hatten ihren Gästen kurzerhand den Zugang zu ihren Zimmern verweigert. „Als wir vom Abendessen zurückkamen, funktionierte unsere Zugangskarte nicht mehr“, beschwerten sich einige FTI-Kunden bei einem Krisenmeeting mit einem Reiseleiter der von FTI beauftragten Incoming-Agentur.
Durch die Verweigerung des Zugangs zu den Zimmern wollte die Hotelkette Druck auf ihre Gäste ausüben, damit diese den Preis für die Unterkunft direkt an das Hotel bezahlen, da das Hotel keine Zahlung von FTI erhalten hat und aufgrund der Insolvenz auch in Zukunft keine Zahlung vom Veranstalter zu erwarten ist.
Dabei haben sich absurde Situationen ergeben, denn einige Hotelgäste erklärten, dass sie ihre Kreditkarte aus dem Zimmer holen müssten, um die Zahlung leisten zu können, was man ihnen jedoch kategorisch verweigerte.
Rechtslage nach spanischem Recht
Ein Pauschalreisevertrag ist ein juristisch kompliziertes Dreicksverhältnis. Der Urlauber schließt mit dem Reiseveranstalter einen Vertrag über ein Paket aus verschiedenen Dienstleistungen, meist Flug, Unterkunft und Transfer, die jeweils von verschiedenen Leistungserbringern erbracht werden. Der Reiseveranstalter schließt wiederum Verträge mit der Fluggesellschaft, dem Busunternehmen und dem Hotel.
Der Urlauber hat folglich kein direktes Vertragsverhältnis mit dem Hotel.
Durch die Pleite des Reiseveranstalters wird die ganze Situation noch komplizierter.
Hotel darf Erbringung von Leistungen nach spanischem Recht verweigern
Der deutschsprachige Rechtsanwalt auf Gran Canaria, José Antonio Perez Alonso, erklärte der Fuerteventurazeitung folgendes:
„In der Tat darf sich das Hotel weigern, Dienstleistungen zu erbringen, die wegen der Pleite von FTI ganz sicher nicht oder nicht ganz bezahlt werden sollen.
Das ist verständlich, aber trotzdem tun das einige doch nicht (aus Kulanz, und um ihre schuldlosen Gäste nicht zu verärgern). Die Hotels haben aber einen Vertrag nur mit dem Reiseveranstalter, nicht mit dem Gast.
Die Pleite des Reiseveranstalters, wenn der Hotelaufenthalt nicht im Voraus bezahlt wurde (was nie der Fall ist) verursacht nach spanischem Recht die automatische Kündigung dieser Verträge, da man annimmt, dass der Reiseveranstalter nichts zahlen wird. Die deutschen Gäste müssen also leider wieder zahlen (wenn sie im Hotel bleiben wollen) und sich also an den deutschen Reiseversicherungsfonds (https://drsf.reise/) wenden.“
Nach spanischem Recht ist es offenbar sogar rechtens, dass der Hotelier vom Gast den aktuellen Tagespreis für den Hotelaufenthalt abrechnet. Diese Möglichkeit haben die SBH-Hotels offenbar auch genutzt, mehrere betroffene Hotelgäste betätigten. „Wir mussten an das Hotel mehr bezahlen, als wir für die gesamte Pauschalreise einschließlich Flug und Transfer gezahlt haben“, berichten mehrere Gäste.
Offenbar ist ein großer Teil der Gäste, wir schätzen rund 90% auf die Forderungen der SBH-Hotels eingegangen und hat die Unterkunft noch einmal bezahlt.
Unternehmerisch verständliches Verhalten
Aus Sicht der betroffenen Urlauber mag das Verhalten der Hoteliers, die Ihre Kunden auffordern, ihre Hotelunterkunft noch einmal zu bezahlen, wie Erpressung wirken. Zweifelsfrei sind die dabei angewendeten Methoden fragwürdig und müssten in jedem Einzelfall auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden.
Doch wenn man die Situation aus der Perspektive der Hotelunternehmen betrachtet, ist die Notwendigkeit zu verstehen, irgendwie an Geld für die zur Verfügung gestellten Unterkünfte zu gelangen. Ob dabei jedoch jedes Mittel Recht ist, steht auf einem anderen Blatt.
Die FTI-Pleite ist für die Hotelunternehmen auf Fuerteventura die dritte große Krise innerhalb von nicht einmal 5 Jahren. Die wenigsten Hotels dürften die Verluste aus der Thomas-Cook-Pleite und der Coronapandemie auch nur annähernd wieder ausgeglichen haben, auch wenn die Urlauberzahlen sich nach Corona wieder prächtig entwickelt haben.
Trotz höherer Zimmerpreise, die zum großen Teil durch die auch für die Hotels gestiegen Kosten wieder „aufgefressen“ werden, konnten die Hotels in den letzten Jahren wohl kaum Rücklagen schaffen, um z.B. notwendige Investitionen wie Renovierungen durchzuführen.
Pauschalreisende sind gegen Pleite des Veranstalters abgesichert, Hotels nicht immer
Wer eine Pauschalreise nach deutschem Recht gebucht hat, bekommt sein Geld für nicht erbrachte Leistungen und auch für ein „zweites Mal bezahlte“ empfangene Leistungen vom Deutschen Reisesicherungsfonds zurück.
Wer also über die liquiden Mittel verfügt, um das Hotel „ein zweites Mal“ zu bezahlen, kann ziemlich sicher sein, dieses Geld früher oder später zurückzubekommen. Letztlich dürften Pauschalreisende also nichts, oder zumindest nicht viel, verlieren.
Für den Hotelier sieht die Lage natürlich anders aus. Bei einer Eigenkapitalquote von nicht einmal 3% wird er aus der Konkursmasse wohl keinen Cent sehen. Die Anwaltskosten zur Anmeldung der Forderungen im Insolvenzverfahren können sich die Hoteliers wohl getrost sparen, um nicht noch gutes Geld hinterher zu werfen.
Für alle Beteiligten wäre vermutlich eine gut kommunizierte und fair ausgehandelte Lösung, die nicht als Erpressung wahrgenommen werden muss, die beste gewesen.
Kostenübernahmeerklärung kommt zu spät
Der Deutsche Reisesicherungsfond erklärte der Fuerteventurazeitung auf Anfrage:
„Der DRSF arbeitet eng mit dem betroffenen Unternehmen sowie dem Krisenstab des Auswärtigen Amtes zusammen und steht zudem in engem Kontakt mit den Leistungserbringern vor Ort, zum Beispiel Airlines, Hoteliers, Busunternehmen etc., um den betroffenen Pauschalreisenden unbürokratisch und effektiv zu helfen. Aufgrund der hohen Anzahl der Länder und Reisenden bei Destinationen stellt dies aktuell eine große Aufgabe dar. Auch lässt sich nicht ohne Weiteres beurteilen, wie die Rechtslage in jedem Einzelfall ist. Bitte haben Sie daher Verständnis dafür, dass wir konkrete Fälle nicht öffentlich kommentieren können.
Wir entscheidend umgehend über die Kostenübernahme, um den von der Insolvenz betroffenen Pauschalreisenden die vom Reisesicherungsfondsgesetz vorgesehene Unterstützung zu geben, sobald das insolvente Unternehmen uns die dafür notwendigen Daten übermittelt hat.
Parallel haben wir über das betroffene Unternehmen auch in Fuerteventura Kostenübernahmeschreiben an Hoteliers übermittelt, damit Reisende ihren Urlaub unbeschwert fortsetzen können.“
Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der betroffenen Urlauber auf die Forderungen der Hoteliers eingegangen ist und die Unterkünfte bereits ein zweites Mal bezahlt hat, zeigt, dass die Kostenübernahmeerklärungen in der Praxis zu spät kommen.
Außerdem kommt noch ein weiteres praktisches Problem hinzu: Die Kostenübernahme gilt nur für Kunden, die eine Pauschalreise gebucht haben. Der Hotelier kann aber im Einzelfall gar nicht wissen, ob der Hotelgast über FTI eine Pauschalreise oder nur den Hotelaufenthalt gebucht hat, weil ihm diese Daten gar nicht vorliegen. Selbst der DRSF schreibt ja ausdrücklich, dass FTI erst die „notwendigen Daten“ übermitteln muss.
Wie geht es weiter?
Da die meisten Betroffenen auf Fuerteventura dem Druck der Hoteliers bereits nachgegeben haben, dürfte die akute Situation vor Ort sich recht schnell entspannen. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Transferfahrten und die Rückflüge der betroffenen Urlauber reibungslos funktionieren. Bisher deutet vieles darauf hin, dass es dabei nicht zu Problemen kommt, zumal die Kostenübernahmeerklärung des DRSF dafür noch rechtzeitig vorliegen dürfte.
Wir dramatisch sich die FTI-Pleite auf die Wirtschaft Fuerteventuras auswirken wird bleibt abzuwarten. Kurzfristig könnten einige Hotelzimmer leer bleiben. Doch andere Reiseveranstalter arbeiten bereits daran, die frei werdenden Marktanteile zu übernehmen.
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