
Die archäologische Fundstelle „Casas de Pozo Negro“ bietet neue Erkenntnisse über die frühe Begegnung zwischen den ursprünglichen Bewohnern Fuerteventuras, den Majos, und den europäischen Eroberern des 15. Jahrhunderts. Archäologische Untersuchungen, die im Oktober 2023 unter der Leitung der Archäologin Rosa López begannen, brachten bauliche Überreste und Materialien ans Licht, die auf eine Nutzung vom frühen 15. bis ins 16. Jahrhundert hinweisen.
Die Casas de Pozo Negro waren zunächst ein Dorf der Ureinwohner. Nach der Eroberung durch die Europäer wurden die ursprünglichen Hütten erweitert und umgebaut, um den Neuankömmlingen aus Europa Unterkunft zu bieten. Die Mauern dieses Ortes wurden so Zeugen der ersten Kontakte zwischen den Majos und den Europäern, bis der Ort aufgegeben und jahrhundertelang verlassen blieb. Heute erst ermöglichen archäologische Ausgrabungen neue Einblicke in diese wichtige Übergangsphase auf der Insel.
Der Ort Pozo Negro ist auf historischen Karten von 1426, 1436 und 1527 als bedeutender Küstenpunkt Fuerteventuras verzeichnet.
Im 16. Jahrhundert diente der Hafen als Stützpunkt für Expeditionen ins Land der Berber, die unter anderem der Befreiung von auf dem afrikanischen Kontinent gefangenen Kanariern dienten, oder als Anlaufstelle für den Import von Sklaven.
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich Pozo Negro zu einem wichtigen Umschlagplatz für den Export von Getreide, Vieh und Lebensmitteln, eine Funktion, die bis ins 19. Jahrhundert fortbestand.
Besonders interessant sind schriftliche Dokumente, die Hinweise auf die jüdisch-konvertierte Gemeinde in der Region geben. So wird Juan Hernández Crespo, ein Jude aus Sevilla, der zum Christentum konvertiert war, als Bewohner von Pozo Negro im 15. Jahrhundert genannt. Gegen ihn und seine Familie existierten mehrere Anzeigen, unter anderem wegen der Feier des jüdischen Feiertags Jom Kippur, was die vielfältige kulturelle Präsenz jener Zeit verdeutlicht.
Beginn der Ausgrabungen
Die Ausgrabungen begannen mit der Entfernung jahrhundertealter Vegetation, die die Fundstelle verdeckt hatte. Auf einem Areal von etwa 700 Quadratmetern wurden vier Grabungen vorgenommen.
Dabei kamen fünf Bauwerke zum Vorschein, teils mit Ecken und starken Mauern, die auf größere Räume schließen lassen. Die archäologischen Strukturen unterscheiden sich deutlich von den runden und ovalen Häusern der Ureinwohner und weisen auf eine europäische Bauweise hin, vermutlich aus der Zeit der frühen Kolonisierung.
Die dabei entdeckte Keramik stammt zum Teil aus lokalen, archaischen Werkstätten, zum Großteil jedoch aus andalusischen oder valencianischen Töpfereien, was auf den regen kulturellen Austausch und Handel hinweist. Außerdem fanden sich Muschelrückstände, die auf eine Ernährung mit Meeresfrüchten hindeuten.
Eine der bedeutendsten Entdeckungen ist ein Gebäudekomplex mit mindestens drei Bauphasen, die sich vom Ursprung bei den Ureinwohnern bis in die europäische Kolonialzeit erstrecken. Die datierten Funde reichen von 1410 bis etwa 1520 und belegen eine frühe Nutzung direkt nach der Eroberung Fuerteventuras. Auch ein Bereich mit starker Ascheschicht wurde dokumentiert und wird von der Doktorandin Paloma Vidal weiter untersucht.
Unter den Funden befindet sich eine Münze, die wahrscheinlich ein portugiesischer Ceitil aus der Regierungszeit von Alfonso V. ist, geprägt zwischen 1446 und 1449. Trotz des schlechten Erhaltungszustands zeigen Vorder- und Rückseite typische Symbole wie eine Burg mit drei Türmen und ein Wappen, deren Identifizierung durch weitere Studien bestätigt werden soll.
Historisch wird die Gegend um Pozo Negro mit Jean de Bethencourt, dem Eroberer der Kanaren, in Verbindung gebracht. Die Quelle Rico Roque und der nahe Hafen, einst als „Puerto de los Jardines“ („Hafen der Gärten“) bekannt, spielten eine Rolle in der Eroberungsgeschichte, wie es die Chronik „Le Canarien“ beschreibt. Dort berichtet man von einer Kapelle und zahlreichen Vorräten, die Bethencourt einst hier hatte.
Im Umfeld des Fundorts liegen drei alte Brunnen, von denen einer mit einer schwarzen Vulkanstein-Treppe ausgestattet ist. Seine genaue Herkunft ist noch unklar. Es wird vermutet, dass er römischen, mittelalterlichen oder sogar indigenen Ursprungs sein könnte. Eine genaue Untersuchung dieses Brunnens steht noch aus, könnte aber wichtige Hinweise zur Nutzung der Gegend liefern.
Die archäologischen Arbeiten in Pozo Negro werden von der Dirección General de Cultura y Patrimonio Cultural der kanarischen Regierung finanziell unterstützt. Deren Direktor, Miguel Ángel Clavijo, bezeichnet die Fundstelle als eine der „interessantesten im gesamten Archipel“.
Es ist geplant, die Ausgrabungen zu erweitern und die Fundstätte weiter zu schützen. Sowohl die Inselregierung von Fuerteventura (Cabildo) als auch die Gemeindeverwaltung von Antigua engagieren sich bereits für den Erhalt.
Rosa López betont, dass Pozo Negro ein einzigartiger Ort sei, um die tiefgreifenden sozialen und kulturellen Veränderungen zu untersuchen, die mit der Ankunft der Europäer auf Fuerteventura einhergingen. Der Fundort zeigt eindrucksvoll, wie das Zusammenleben und die Interaktion zwischen der indigenen Bevölkerung und den neuen europäischen Siedlern begannen und sich entwickelten.
Insgesamt bietet der Fundort Casas de Pozo Negro auf Fuerteventura einen seltenen Einblick in die Übergangszeit der Insel, vom letzten Abschnitt der Ureinwohnerkultur bis zur europäischen Kolonialisierung. Die Funde aus dem 15. und 16. Jahrhundert erlauben es, die ersten Kapitel der gemeinsamen Geschichte von Majos und Europäern neu zu schreiben, was für die Kulturgeschichte der Kanaren von großer Bedeutung ist.
Wenn Du unsere Inhalte nützlich, unterhaltsam oder informativ findest, kannst Du den Lohn für unsere Arbeit selbst bestimmen. Das geht ganz einfach über diesen Link:
