Dreikönigsumzüge im Süden von Fuerteventura- ein Erlebnisbericht

Koenige_La_lajita

Wieder einmal trägt die Fuerteventura Zeitung die Hauptschuld.
Anstatt sich an einem unfassbar schönen, komplett wolkenfreien Januartag bis zur Neige die Sonne auf die dezembergebeutelte blasse Haut brennen zu lassen, liest man Tag für Tag die einheimische Zeitung und somit auch die Artikel über die anstehenden „vorweihnachtlichen“ Dreikönigsumzüge. Deutschland nach Abschluss der weihnachtlichen Festschmäuse und glühweingeschwängerten Striezelmärkte endlich durch blauhimmliges und sonnenstrahliges Sommerwetter zu ersetzen, war ein wie so oft herbeigesehntes Ziel, um hier vor Ort wieder Kraft, vor allem aber Ruhe zu tanken.
Erstmal weg von Menschenmassen und -ansammlungen. Natur pur war der Plan.
Dann sollte man aber auch keine Zeitung lesen. Kann ich hier (anders als im oft medienkonformen Deutschland) aber eben nicht, weil man ja doch stets vielleicht wissen möchte, was man evtl. verpassen würde, wenn…
… man den Tag eben nur in Hell/Dunkel einteilen würde…

Schon immer Freund, spätestens seit einer der traditionellsten Fiestas zur Schutzheiligen, der Virgen de la Peña im kleinen Ort Vega de Río Palmas auch Liebhaber von einheimischen Festen und Bräuchen, geht mein Blick stets auf die Informationsseiten im Netz, in erster Linie aber auf die hervorragend herausgearbeitete Veranstaltungsseite der Fuerteventura Zeitung.

Obwohl mit Weihnachten abgeschlossen, war es also schnell klar, das ich entgegen meinen Vorsätzen (welche in meinem Fall stets traditionell bescheiden bleiben und sich durch mehrere Hintertürchen schnell Zugluft holen) mir die am 5. Januar anstehenden Dreikönigsumzüge nicht entgehen lasse. Obwohl man Fuerteventura und die südlichen Hemisphären irgendwie vordergründig nicht mit Weihnachtstraditionen in Verbindung bringt, vergisst man oft, dass ja eigentlich genau in jenen orientalischen Landstrichen die Weihnacht „erfunden“ wurde. Und eben nachweislich NICHT die Schweizer!

Es kostete also keine Überwindung, sich gedanklich auf jene ursprünglichen Traditionen einzustellen und einen Badetag dafür zu opfern. Es verging auch wenig Zeit, bis selbst der Körper den Gedanken folgte…
Als Kompromiss zwischen beiden konnte ich den Verzicht auf die Anwesenheit bei morgendlichen 10 Uhr Schlüsselübergaben erreichen und mich vorerst auf Frühstück und Sonnenbad beschränken. Allerdings konnte auch dies nicht dazu beitragen, mich des Nachmittags zeitgleich an mehreren Orten aufzuhalten, da trotz intensiver Schonung, weder Geist noch Körper in der Lage schienen, derartiges zu leisten. Demzufolge beschränkte ich mich vorerst auf den Umzug der 3 heiligen Könige im wohl einheimischen Ort des Südens dem urtümlichen Jandia…

Koenige Jandia
Heilige Drei Könige in Janida

Obwohl außer der durch herrliche Palmen und saftigem Gras gesäumten Prachtmagistrale wenig an die Ankunft Jesu erinnerte, hatten die auf guten Kamelen berittenen Heiligen Könige eine sehr entspannte Reise, da ihnen während ihres beschwerlichen Ritts entlang der vorchristlichen Shoppingmall hinreichend Möglichkeiten geboten wurde, um vor Maria und Josef nicht mit leeren Händen dazustehen…
Das die Hände der Könige nie leer waren, bewiesen sie durch stetes Entleeren selbiger in freudige Kinderhände, welche sich ihnen während des gesamten Umzuges entgegenstreckten. Dass die empfangenen Gaben offenbar verjüngend wirkten, erkannte man schnell an der zunehmenden postpubertären „Kindermeute“, welche sich immer öfter ihren Jüngern anschlossen…

Als dann auch noch ein leuchtender Vollmond die Szenerie standesgemäß erhellte, welcher sich offenbar entschlossen hatte, dem immer lauter und lustiger werdenden Treiben den abrundenden Rahmen zu geben, war bei mir jegliche Weihnachts- und Ansammlungsmüdigkeit vorbei.

Und da war es wieder, dieses Gefühl der ungezwungene und natürlichen Lebensfreude, was die Menschen hier vor Ort ausstrahlen, sie lieben ihre Fiestas und gehen mit Liebe ins Detail, ohne sich durch überdimensionierter, oft durch Konsumgüterindustrie verordneter materiellen Aufblähung den Kern des Ganzen zu entledigen – dem fröhlichen Mit- und Beieinander.
Schnell sind dann unpassende Geschäftszeilen und säumende Autoschlangen vergessen, begibt man sich mit ins Gewühl. Gegen 17 Uhr beginnend, zog sich die Parade, welche erst durch die sich stetig anschließenden Menschen zu einer wurde, einmal bis Höhe Walfischskelett um sich dann wieder zurück bis zum Ende des Ortes zu bewegen. Trommler ließen sicher selbst in Cofete keinen Zweifel aufkommen, das hier der Feiertag eingeleitet wird….

Transformers Jandia
Transformer

Das man sich hier nicht in Bethlehem sondern im touristen- und kinderreichen Süden befand, konnte man einigen der Umzugsfiguren ansehen, die in nicht-traditioneller Weise eher an Transformers erinnerten, somit aber zumindest den Zeitgeist der Generation verkörperten… dies zumindest ist meine Interpretation dazu.

Nachdem sich der Zug nach Sonnenuntergang zumindest in Jandia auflöste, war es ein unvergessliches Schauspiel, wie sich der komplett wolkenlose Himmel in ein leuchtender Orange verwandelte, welches nur mit einem brennenden Feuer zu vergleichen war. Regelrecht unwirklich, wie die letzten Strahlen dann unter dem Meer hervorleuchtend, die Szenerie in ein morgenländisches Symbolbild verwandelten, in welchem die Drei Heiligen dann vom hochstehenden Vollmond beschienen, verschwanden…

Costa Calma

Um des heiligen Abendmahles willen wurde anschließend via unzähliger Kamelstärken die Pilgerreise Richtung La Lajita mit einem Zwischenstopp in der Party- und Gastronomiehochburg Costa Calma unterbrochen. Auch hier hatte ein Umzug halt gemacht und eine Reihe Kinderherzen mit Vorfreude auf die kommende Nacht erfüllt. Vor dem Monika Beach war ein riesiges Festzelt errichtet, welches nun den Schutzbedürftigen Zuflucht gewährte.
Passend hierzu war dieses Zelt bereits den ganzen Tag einer Spendenaktion für bedürftige Familien gewidmet, deren Initiatoren mit viel Fleiß und Aufwand über Wochen Spenden sammelten, welche der gemeinnützige Vereinigung La Caja de la pequeña Silvia zugute kam.
Initiatorin Frau Dr. Simoni dankte den vielen Unterstützern und konnte sich über Schecks, Bargeld und Sachspenden freuen. Radio Sol.FM übertrug live. Irgendwie ein passendes Timing zum Tag der Dreikönigsumzüge.

Abschluss in La Lajita

Der Höhepunkt des Tages aber war zweifellos der traditionelle abschließende Festumzug der heiligen drei Könige im eindrucksvoll illuminierten La Lajita, welcher allein durch den späten Beginn gegen 22 Uhr für eine authentische Stimmung sorgte. Immerhin wurden meines Wissens Melchior, Balthasar und Kaspar des Nachts zur Krippe geleitet – nicht aber des Morgens mit einer Kutsche vorgefahren… (man möge mir meine mangelhafte Bibelfestigkeit nachsehen).

Koenige La lajita
Kamelritt durch La Lajita

Bereits kurz nach 21 Uhr vor Ort, konnte man bereits überall Vorfreude spüren, sämtliche Restaurants des Ortes waren gut gefüllt, ebenso der zentrale Spielplatz vor Festzelt und Kirche.
Man konnte den Eindruck gewinnen, dass der kleine Ort seine Kapazität ausgeschöpft hatte, was sich später als Irrtum erwiesen, denn wie schon oft hier auf der Insel erlebt, gibt es bei Fiestas offenbar einen Geheimcode, der flashmob-artig Leute auf die Straßen fluten lässt, die bis Minuten zuvor verwaist schienen. Offenbar waren diese Menschen auch davon unterrichtet, dass um 22 Uhr weit und breit nichts von einem Zug zu bemerken war. Zwar wurden die Straßen belebter, Kinder unruhiger, aber ähnlich wie auf einen Zug der Deutschen Bahn wartend, war hier noch Geduld vonnöten.

Saenger La Lajita
Singend im Umzug durch La Lajita

Dass sich der Kamelzug gegenüber des Oasis Parks formierte, war aus der Ferne leicht einzusehen, nur dass dort noch Sanduhren den Zeitmesser bildeten… Erst gegen 22.30 setzte sich dort mit unüberhörbaren Trommelwirbel der Zug unter rhythmische Gesang in Bewegung und erreichte erst gegen viertel vor 11 den zentralen Startplatz am eindrucksvoll beleuchteten Rondell am Ortseingang.
Aus dem Nichts hatten sich dabei plötzlich Menschenmengen eingefunden, die den Zug in einem beidseitig dichtem Spalier bis zum Kirchplatz säumten. Begleitet von unermüdlichen Trommlern und einer Schar fackeltragender begeisterter Sängerinnen und Sängern gab es einen Festzug, der den Namen verdient hatte.

Der Zug beschrieb eine große Runde durch die südwestlichen Vorstadt, stets begleitet, von hunderten fröhlicher Menschen, welche den Drei Königen und ihren Boten stets am Straßenrand „zur Seite standen“. Am völlig gefüllten Kirchplatz angekommen, führte die Prozession auf die Bühne des Festzeltes, wo die Drei Könige ihre Gaben und Gebete dem Jesuskind überbrachten.
Diesmal übrigens komplett transformerfrei…

Aufwartung La Lajita
Audienz der Heiligen Drei Könige in La Lajita

Anstattdessen ließen sich die Drei Heiligen Könige nicht zum wohlverdienten Abendmahl, sondern zur Audienz nieder, um in der darauffolgenden Stunde sämtlichen anwesenden geschenkebedürftigen Kindern mit liebevollen Gesten deren Weihnachtswünsche entgegenzunehmen.
Diese hatten zuvor im Halbrund vor der Bühne Platz genommen, andere nutzen die Möglichkeit, die Schulterstärke ihrer Eltern auszureizen.
Stets begleitet von rhythmischen Gesängen und unermüdlichen Trommlern ließ es den ein oder die andere in gliederzuckende tanzähnliche Bewegungen verfallen…

Auch Politik und Prominenz war gut sichtbar unters Volk gemischt, ob diese ihrer angeborenen Fröhlichkeit Rechnung tragen wollten, oder vielleicht nur zur Beichte anwesend waren, entzieht sich als Außenstehendem meiner genauen Sachkenntnis…

Stärkung gab es für die Jüngsten oder Bedürftigen in Form heißer Schokolade, welche sehr regen Zuspruch fand.

Ähnlich wie im letzten Juni bei der „Romeria zum Cardon“ war ich vom Ambiente, Ablauf und Natürlichkeit der Menschen hier begeistert. Diese Feste sind das Salz und der Pfeffer in der großen Suppe des Lebens, es bedarf nicht vieler Gewürze, man muss einfach nur umrühren und verkosten, der Geschmack kommt hierbei ganz allein… Schön, diese Erlebnisse mit vielen zu teilen! Ich bin sicher, für viele Menschen ist dies der Motor, der sie am laufen hält, ihnen das herzliche am Leben zeigt.

Dank den Menschen, die Traditionen bewahren.
Dank jenen Menschen, welche sich aufgrund ihrer Reputation für Bedürftige einsetzen.
Dank den Machern der FuerteventuraZeitung, die stets auch die kleinen Dinge des Lebens würdigen und publizieren.
Dank somit auch den Lesern, die mit kommunikativer Präsenz letztendlich die handelnden Personen sind, die all den angesprochenen Dingen erst Leben einhauchen.

Ein gesundes, erlebnisreiches und gutes Jahr 2023

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1 Kommentar

  1. Nach über 5 Tagen hat noch niemand auch nur einen einzigen, kurzen Kommentar hinterlassen, deswegen möchte ich das tun, weil Du Dir so viel Mühe gegeben hast, diesen langen, ausführlichen und emotionalen Artikel zu verfassen. Diese Mühe verdient einfach eine Antwort 🙂

    Es klingt so schön, so enthusiastisch, so wie bei dem Artikel zur Romería auch.
    Was ich mich wirklich frage: Schwimmst Du in diesen Situationen einfach mit der Menschenmenge mit und genießt introvertiert die Atmosphäre dieser Aktion, die Erlebnisse, die Emotionen in Deinem Kopf und Deinem Herzen? Bist Du quasi dann total high in Deiner eigenen Blase?
    Oder hast Du auch Kontakt mit den Leuten, den Teilnehmer:innen, der Bevölkerung? Sprichst Du mit ihnen? Erfährst Du etwas über sie? Gehst Du extrovertiert auf sie zu? Oder umarmt man sich einfach so im Feierrausch, man versteht sich, sozusagen, „non-verbal“ über die Feier und ihre Bedeutung, man prostet sich zu und das war’s?
    Ich habe das auch schon erlebt und finde es für den Moment echt schön. Aber danach fehlt mir irgendwie die Tiefe… (aber das mag aber auch an mir liegen).

    Ich kann immer noch immer nicht so ganz greifen, was der Sinn Deiner Erlebnisbericht-Artikel sein soll.
    Einfach eine momentane Empfindung Deiner fuerteventura-verliebten Seele?
    Eine aus dem Ego-Zentrum verfasste Momentaufnahme?
    Oder tatsächlich etwas Lokalkolorit?

    Ich glaube, ich verstehe Dich und Deine Artikel noch nicht richtig…. sorry… ich glaube, mir fehlt einfach der Zugang zu Deinem subjektiven Zustand, den Du hast, wenn Du Deine Artikel verfasst….

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