Das Wrack der American Star: Ein Stück jüngere Fuerteventura Geschichte

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Die Playa de Garcey, der kleine Strand an der Westküste Fuerteventuras, vor dem am 18. Januar 1994 die „American Star“ auf Grund lief und zerbrach, wird von vielen Reiseführern auch heute noch als Ausflugsziel empfohlen. Allerdings wäre es aber schon seit vielen Jahren an der Zeit gewesen, die Reiseführer umzuschreiben, denn obwohl das Wrack viele Jahre den Urgewalten des Ozeans trotzte, haben es die Wellen inzwischen soweit zernagt, dass es inzwischen vom Land aus überhaupt nicht mehr sichtbar ist. Grund genug noch einmal einen Blick in die Vergangenheit zu werfen…

SS America

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Stapellauf der „America“

Der Stapellauf der SS America am 31. August 1939, einen Tag vor Beginn des 2. Weltkriegs, war in Virginia/ USA das gesellschaftliche Ereignis des Jahres. Die damalige First Lady Eleanor Roosevelt taufte das Schiff im Beisein von mehr als 30.000 Zuschauern auf den Namen SS America. Mit diesem Ozeandampfer wollten die von der Depression gebeutelten Amerikaner in das Passagiergeschäft auf dem Nordatlantik einsteigen, es sollte eine Art Sinnbild der neuen Hoffnung werden. Nach seiner Fertigstellung unternahm das Dampfschiff einige Kreuzfahrten in der Karibik. Überschattet allerdings wurden die Vergnügungsreisen durch den bereits tobenden 2. Weltkrieg, in dem schließlich auch die SS America zum Einsatz kam. Bereits an Planung und Bau des Schiffes war die „United States Maritime Commission“ beteiligt, was dazu führte, dass der Umbau zum militärischen Truppentransporter recht einfach war. Umbenannt in USS West Point beförderte das Schiff jeweils ca. 8.000 Mann an die Kriegsschauplätze. Später, mit einem grauen Tarnanstrich versehen, gab man ihr ihre Navy-Besatzung den Spitznamen „The Grey Ghost“ „der graue Geist“. So schnell lief die West Point auf Zick-Zack Kursen zu ihren Bestimmungsorten, dass sie oft sogar ohne Begleitschutz insgesamt über 400.000 Seemeilen zurücklegte, dabei über eine halbe Millionen Menschen beförderte, und alles ohne auch nur einen einzigen durch Kampfhandlung an Bord getöteten Soldaten.

Renovierung nach dem Krieg

1946 außer Dienst gestellt, wurde eine Multi-Millionen Dollar verschlingende Renovierung des Dampfschiffes in Angriff genommen, an deren Ende die SS America in ihre Doppelrolle als „Königin der amerikanischen Handelsmarine“ und gleichzeitig Flaggschiff der United States Lines in neuem Glanz stand. Ende 1946 unternahm die SS America ihre Jungfernfahrt nach Europa.

Die kommenden Jahre standen ganz im Zeichen der Transatlantik-Überfahrten, von denen 15 bis 18 Rundfahrten pro Jahr durchgeführt wurden. Sogar ein weiteres Schiff wurde zur Verstärkung herangezogen, so sehr florierte der Transatlantik-Verkehr. Ein wöchentlicher Verbindungsdienst zwischen Amerika und Europa wurde aufgebaut. Oft lief das Schiff auch in Deutschland, genauer gesagt in Bremerhaven ein.

Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre leitete jedoch der Beginn der Passagierbeförderung per Flugzeug das Ende dieser Ära ein. Als die stolze SS America ihren Dienst 1964 quittierte, hatte sie auf 288 Atlantiküberquerungen und Kreuzfahrten in der Karibik 2,8 Millionen Seemeilen zurückgelegt und über 500.000 Passagiere in Friedenszeiten transportiert.

Die „Ausstralis“ bringt das Schiff Menschen nach Down under

Im Jahre 1964 wurde die SS America schließlich an die Chandris Lines verkauft. Diese hatte Verträge mit der britischen Regierung, die die Einwanderung nach Australien und Neuseeland regelten. Wieder wurden vor in Dienstnahme diverse Veränderungen durchgeführt, die das Schiff zum größten Ein-Klassen Fahrgastschiff der Welt machten. Die „Australis“ lief regelmäßig alle drei Monate von Southampton aus Häfen in Australien und Neuseeland an. Menschen, die „down under“ das Glück suchten, konnten aufgrund der bereits erwähnten Verträge für lediglich 10 Pfund pro Person in ein neues Leben reisen, sodass ganze Familien auswanderten. Die Schiffsreise ging dabei tatsächlich fast um die ganze Welt. Zu Zeiten politischer Stabilität lief man viele Häfen im Mittelmeer an und machte die Passage durch den berühmten Suezkanal. Später, zu Zeiten internationaler politischer Verwicklungen, lief die Australis dann über das Kap der Guten Hoffnung und steuerte allerlei exotische Häfen an. Aber auch hier holte die Luftfahrt die Passagierbeförderung per Flugzeug das Schiff wieder ein. Die Chandris-Lines verloren den Vertrag mit der britischen Regierung und nach dreizehn Jahren lief die Australis im November 1977 nach Australien aus und wurde schließlich in Neuseeland außer Dienst gestellt.

SS America, der zweite Versuch scheitert

Zu Beginn des Jahres 1978 kaufte eine amerikanische Investorengruppe die Australis mit dem Ziel, die Kreuzfahrten wieder aufzunehmen. Dazu nannten sie das Schiff wieder in SS America um, um an die alten Traditionen anzuknüpfen. Allerdings scheiterte der Versuch kläglich. Die Investoren mussten Konkurs anmelden und das Schiff wurde Ende 1978 meistbietend versteigert.

Paradoxerweise wurde das Schiff von Chandris zurückgekauft, wobei man deutlich weniger zahlte, als man vor etwa einem Jahr erhalten hatte. Umbenannt in „Italis“ machte das Schiff als „The Italian Lady“ Charterkreuzfahrten durchs Mittelmeer. Allerdings blieb auch hier der Erfolg verwehrt, was letztlich dazu führte, dass das Schiff nun 15 Jahre im Hafen von Piräus verkümmerte. Mehrere Besitzer und Namenswechsel waren belanglos. Nie fuhr das Schiff unter den zwischenzeitlichen Namen „Noga“ oder „Afferdoss“.

American Star – Das Unglück

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American Star

Ende 1992 erwarb eine thailändische Firma das Schiff, mit dem ehrgeizigen Ziel ein schwimmendes 5-Sterne-Hotel daraus zu machen. Umbenannt in „American Star“ machte man sich im Trockendock an die Kontrolle des Schiffsrumpfes. Diese Kontrolle verlief positiv, so dass die American Star am Weihnachtsabend 1993 zu einer Schlepper-Fahrt über die offene See nach Thailand aufbrechen konnte. Auf Höhe der Kanarischen Inseln verschlechterte sich das Wetter so sehr, dass bei einem Orkan am 15. Januar 1994 schließlich die Schlepptrossen rissen. Keiner der Versuche, das Schiff, das steuerlos dahin trieb, wieder unter Kontrolle zu bekommen, gelang. Die vier Mann Besatzung der American Star wurden am 17. Januar 1994 von Bord geholt und am Morgen des 18. Januar 1994 nahm das Unglück schließlich seinen Lauf und die American Star lief am Strand von Garcey auf felsigen Grund. Der weiter tobende Sturm tat sein Übriges und führte dazu, dass innerhalb von 48 Stunden das Heck mittschiffs abbrach. Das Schiff wurde zum Totalverlust erklärt und von abenteuerlustigen Einheimischen quasi geplündert. Alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde auf Booten und Surfbrettern von Bord geschafft. Letztlich brach das Heck komplett und versank.

Viele sprechen heute von Versicherungsbetrug, da nicht klar ist, warum man nicht die kürzere und einfachere Route durch den Suezkanal wählte, sondern stattdessen die von Winterstürmen gebeutelte Route um das Kap der Guten Hoffnung nahm. Einige Schätze der American Star sind weiterhin auf der Insel zu bewundern. So gibt es in Puerto del Rosario in der Calle 1° de Mayo, Ecke Calle Jesus y Maria eine Bar, die „Cafeteria El Naufragio“ (Der Schiffbruch), die mit „Fundstücken“ von der American Star eingerichtet ist.

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Kaum noch etwas zu sehen

Bei dem gefährlichen Unterfangen, Andenken vom Wrack der American Star zu bergen oder auch nur das Schiff zu betreten, sind viele Menschen ums Leben gekommen. Viele unterschätzten die unglaublich heftigen Strömungen, die dann ihren Tribut forderten.

Aber auch Jahre nach der Strandung übt das Wrack eine starke Faszination auf viele Menschen aus. So hatte im Jahr 1999 der Künstler Klaus Behrends die Idee, dass Wrack zu beleuchten. Abgesegnet durch die Gemeinde Pájara führte er dieses Vorhaben nach langem Warten auf gutes Wetter auch durch. Seine Intervention „Lichtschiff – Barco de Luz“ erweckte für eine Nacht die American Star wieder zum Leben. Bereits 2007 war nur noch ein ganz kleiner Teil der American Star zu sehen. Inzwischen ist der ehemals stolze Ozeanriese endgültig im Meer verschwunden. Ein kleiner Teil Geschichte von Fuerteventura ist damit nun vollends zu Ende.

Doch halt, vollends zu Ende ist es wohl doch nicht. ICF Films bringt Anfang 2024 einen Kinofilm mit dem Titel „American Star“ heraus, der auf Fuerteventura gedreht wurde. Infos dazu findet Ihr unter folgendem Link: American Star – neuer Kinofilm komplett auf Fuerteventura gedreht

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