Gibt es für Fuerteventura eine Alternative zum Massentourismus?

Passagiere-Flughafen-Fuerteventura

Eine der Forderungen bei den Demos am 20. April 2024 auf Fuerteventura und den übrigen Kanaren war ein „Wechsel des touristischen Modells“. Vorschläge, wie ein solches „anderes Modell“ aussehen soll, brachten legten die Demonstranten jedoch nicht auf den Tisch.

Doch welches Tourismusmodell haben wir auf Fuerteventura überhaupt? Und wäre ein Wechsel zu einem anderen Modell überhaupt möglich?

Der Tourismus-Experte Antonio Garzón Beckmann hat auf seinem Blog (in spanischer Sprache) dazu einen sehr interessanten Beitrag veröffentlicht.

Garzón kommt zu dem Ergebnis, dass sich der „Kern“ des derzeitigen Tourismusmodells auf den Kanaren, das er als „Sonne-und-Strand-Massentourismus für die Mittelschicht“ bezeichnet, nicht grundlegend verändern lässt. Sehr wohl verbessern ließe sich in seinen Augen jedoch der „Rahmen“ dieses Tourismusmodells durch ein besseres Management der Tourismusaktivitäten, der natürlichen Ressourcen, ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen und nicht zuletzt des „touristischen Narrativs“.

Kern und Rahmen des Tourismusmodells auf Fuerteventura

Garzón erklärt, dass der „Kern“ eines Tourismusmodells sich aus den folgenden essentiellen Faktoren zusammensetzt:

  • angebotene Tourismustypen (Sonne&Strand, Sporttourismus, ländlicher Tourismus…)
  • Zielgruppen (Alterssegmente, Kaufkraft…)
  • Entwicklungsstadium (Lebenszyklus, Massentourismus vs. Exlusivtourismus, etc.)
  • Zielmärkte (Deutschland, UK, Inland…)

Diesen Kern des Tourismusmodells kann Fuerteventura nicht austauschen. Er wurde über Jahrzehnte aufgebaut und kann daher nicht von heute auf morgen durch einen anderen Kern ersetzt werden, schon gar nicht durch ein Modell, das auf wenigen Millionärstouristen basiert.

Der Kern hat sich zu einem Massentourismus hin entwickelt, von dem folglich eine große Zahl an Beschäftigten abhängt. Berücksichtigt man neben den direkten und indirekten Arbeitsplätze auch die induzierte Beschäftigung, so hängt auf den Kanaren rund 90% der Beschäftigung am Tourismus.

Ein bedeutender Rückgang der Urlauberzahlen, egal ob gewollt oder ungewollt, hätte folglich auch erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kern nicht verbessert werden könnte. Er kann in Typen diversifiziert werden (z.B. Sporttourismus, Senioren, Digitale Nomaden…), Märkte erweitern, sich in zusätzliche Segmenten mit höherer Kaufkraft diversifizieren (z.B. mit spezialisierten und/oder Luxusprojekten), usw., wie es die kanarische Agentur für Tourismuswerbung bereits versucht. Daher ist der Kern in seiner Essenz nicht zwar veränderbar, aber durch konkrete Strategien verbesserbar, z. B. durch selektives Wachstum in Segmenten mit höheren Ausgaben.

Der „Rahmen“ des Tourismusmodells wird durch folgende Faktoren bestimmt:

  • Gesetze und Bürokratie
  • Steuern und Gebühren
  • öffentliche touristische Dienstleistungen
  • Infrastruktur (Wasser, Strom, Kommunikation, Transport…)
  • Flächennutzung & Raumordnung
  • Ausbildung
  • Wohnungspolitik und demografische Herausforderungen
  • Klimawandel
  • Kapazitätsgrenzen

In diesem Rahmen gibt es zweifelsfrei viele Defizite.

So datiert z.B. das kanarische Tourismusgesetz aus dem Jahr 1995 und ist nicht mehr kompatibel mit neueren Gesetzen zur Flächennutzung und Raumordnung, woraus sich diverse Widersprüche und somit eine allgemein fehlende Rechtssicherheit bei gleichzeitig ausufernder Bürokratie ergibt. Viele Gemeinden haben keine aktuellen Bebauungspläne. Der Gesetzgeber hat also in vielen Bereichen, die den Rahmen des Tourismusmodells betreffen, seine Hausaufgaben nicht gemacht.

An vielen Stellen der Inseln ist die touristische Infrastruktur in die Jahre gekommen oder fehlt ganz. Ein Beispiel sind vielerorts fehlende öffentliche Toiletten.

Von mangelhafter Infrastruktur wie z.B. der allgemeinen Wasserversorgung und fehlender Wohnungspolitik können nicht nur die Einwohner von Fuerteventura ein Lied singen.

Es gibt zwar auf Fuerteventura und den anderen Kanaren viele Naturschutzgebiete. Für die Insel Lobos wurden sogar Kapazitätsgrenzen festgelegt. Doch eine Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften und Limits findet praktisch nicht statt.

Auch die Ausbildung und die Mobilität der Arbeitskräfte stellen ein Problem dar, das dafür sorgt, dass die Tourismusunternehmen keine qualifizierten Mitarbeiter finden, die Arbeitslosenquote auf den Kanaren aber noch immer bei rund 16% liegt.

Kaum jemand will jeden Tag zwei Stunden mit dem Auto zur Arbeit und zurück fahren und einen nicht unerheblichen Teil seines Einkommens für Sprit ausgeben. Ein brauchbarer öffentlicher Nahverkehr oder Wohnungen in der Nähe der Arbeitsstelle sind auf den Kanaren kaum verfügbar.

Diversifizierung und Abkehr von der Tourismus-Monokultur

Immer wieder wieder wird die Monokultur der kanarischen Wirtschaft bemängelt und eine stärkere Diversifizierung der Wirtschaft gefordert.

„Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen“, heißt es immer wieder. Doch es gibt nur einen Korb auf den Kanaren, glaubt Garzón. „Wie lange brauchen wir noch, um uns einzugestehen, dass es auf den Kanaren keine Möglichkeit zu einer signifikanten Diversifizierung gibt?“, gibt Garzón zu bedenken.

Unsere Chance zur Diversifizierung liegt also genau in dem, was wir am besten können: Tourismus. Wir müssen also diesen einen Korb nutzen und all seine Möglichkeiten ausschöpfen.

„Wir sollten also unseren negativen Diskurs von der „wirtschaftlichen Monokultur“ zu einem positiven von einer „touristischen Polykultur“ ändern.

Tourismus sorgt auf den Kanaren sehr wohl für Wohlstand

Immer wieder hört man das Narrativ, der Tourismus sorge auf den Kanaren für 40% der Beschäftigung und schaffe dennoch keinen Wohlstand. Manche populistischen Stimmen fordern daher, einfach die 40% „in den Wind zu schießen“ und von den restlichen 60% zu leben.

Die 40% sind jedoch nur dann korrekt, wenn man ausschließlich die direkte und indirekte Beschäftigung berücksichtigt. Direkte Beschäftigte sind z.B. solche, die in einem Hotel als Koch oder Kellner arbeiten. Indirekt Beschäftigte sind z.B. die Mitarbeiter eines landwirtschaftlichen Betriebs, der Hotels mit Lebensmitteln beliefert.

Nun gehen die direkten oder indirekt Beschäftigten z.B. zum Frisör oder kaufen neue Möbel für ihre Wohnung. Die Mitarbeiter des Frisör- oder Möbelgeschäfts sind weder direkt noch indirekt im Tourismus beschäftigt. Aber wenn ihre Kunden nicht Geld im Tourismus verdienen könnten, gäbe es die meisten dieser Geschäfte nicht. Diese Beschäftigung nennt man induzierte Beschäftigung. Rechnet man diese induzierte Beschäftigung mit, hängen auf den Kanarischen Inseln eher rund 90% der Beschäftigten vom Tourismus ab.

Wechsel des Tourismusmodells bedeutet „sich an die Arbeit machen“

Die vielen aufgezeigten Defizite und Schwächen im Rahmen des Tourismusmodells lassen sich mit gutem Willen und viel Einsatz sicher verbessern. Ein „Wechsel des Tourismusmodells“, dessen Kern sich nicht ändern lässt, bedeutet also zunächst einmal nichts anderes, als dass alle Beteiligten und Verantwortlichen ihre Ärmel hochkrempeln und anfangen, sich an die Arbeit zu machen.

Bestimme den Lohn für unsere Arbeit!

Wenn Du unsere Inhalte nützlich, unterhaltsam oder informativ findest, kannst Du den Lohn für unsere Arbeit selbst bestimmen. Das geht ganz einfach über diesen Link:

9e03e7d5029e4bcfa36ddb6557937203
https://www.fuerteventurazeitung.de/du-bestimmst-den-lohn-fuer-unsere-arbeit/ banner 300x250 Bestimme den Lohn

Weitere Beiträge im Bereich Fuerteventura Nachrichten