Löcher in Gehwegen, Bauzäune, die auf Fußgängerwege ragen, durchgerostete Schachtabdeckungen auf Bürgersteigen, mangelhafte Beleuchtung, defekte Geländer und viele weitere Unzulänglichkeiten an öffentlicher Infrastruktur lassen sich auf Fuerteventura allerorts beobachten.
Nicht selten ergeben sich aus der Nachlässigkeit der zuständigen Gemeinde nicht nur theoretische Gefahrenstellen. Es ereignen sich auch tatsächlich regelmäßig Unfälle. Natürlich erfährt die Öffentlichkeit nur selten davon, denn keine Gemeinde wird aktiv eine Pressemitteilung veröffentlichen, wenn sie dafür haften muss, wenn sich durch ihre Schuld ein Bürger oder Urlauber eine Verletzung zugezogen hat.
Solche Unfälle haben teilweise gravierende gesundheitliche und finanzielle Folgen für die Unfallopfer und für die Gemeindekasse und somit für den Steuerzahler, der letztlich die Schlamperei der Verantwortlichen finanzieren muss.
Der lange Weg der Unfallopfer zu einer Entschädigung
Wer auf öffentlichem Grund einen Unfall erlitten hat, weil sich dort eine Gefahrenstelle befand, kann unter gewissen Umständen die Gemeinde dafür in Anspruch nehmen. Natürlich muss der Geschädigte alle wesentlichen Umstände, die zu den Verletzungen geführt haben, und die Höhe der Schadenersatzforderung lückenlos beweisen. Dies kann z.B. durch Zeugen, Berichte der Polizei und der Rettungskräfte, ärztliche Gutachten usw. erfolgen. Überspitzt ausgedrückt: das gebrochene Bein sollte idealerweise noch im eingebrochenen Gullideckel stecken, wenn der Rettungswagen kommt.
Die Formulierung des Anspruchs dürfte die Möglichkeiten einer durchschnittlichen Person in der Regel übersteigen, weshalb die Hilfe eines Anwalts unverzichtbar sein dürfte.
Natürlich kann eine Gemeinde keinen Schadenersatz zahlen, bevor der Anspruch nicht juristisch geprüft wurde. Dazu legen Fuerteventuras Gemeinden den Antrag dem „Konsultivrat der Kanaren“ (Consejo Consultivo de Canarias) zur Begutachtung vor. Wenn dieser zu dem Ergebnis kommt, dass die Ansprüche berechtigt sind, kann die Gemeinde die Zahlung leisten.
Anspruchsvoraussetzungen
Die wichtigste Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch ist das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung, die der Gemeinde zuzurechnen ist.
Solche Pflichtverletzungen können z.B. in Form mangelhaften „Funktionierens der öffentlichen Wege“ oder anderer öffentlicher Dienstleitungen vorliegen.
So muss eine Gemeinde z.B. ihre Straßen und Gehwege in Ordnung halten, also z.B. Schlaglöcher reparieren oder dafür sorgen, dass auf Gehwegen keine Rutschgefahr besteht.
Allerdings setzt die Rechtsprechung auch voraus, dass die Nutzer der Gehwege und Straßen eine gewisse Sorgfaltspflicht walten lassen. Ein Anspruch kann also durchaus abgelehnt werden, wenn ein Anwohner vor seiner Tür schon seit Jahren ein Loch im Bürgersteig hat und dann plötzlich darin umknickt und sich ein Bein bricht. In so einem Fall hätte der Bürger wissen können, dass sich dort eine Gefahrenstelle befindet.
Frau fordert fast 100.000€ Schadenersatz nach Sturz auf Stahlplatten in Fußgängerzone in Morro Jable
Eine der jüngsten Stellungnahmen des kanarischen Konsultivrats vom 02.11.2023 betrifft einen Unfall in der Fußgängerzone von Morro Jable im Süden von Fuerteventura.
Eine italienische Urlauberin war am 09. Januar 2021 gegen 14:00h vor einer Tapasbar in der Fußgängerzone von Morro Jable auf den dort ausgelegten Stahlplatten ausgerutscht und gestürzt. Es gab keinerlei Absicherung oder Hinweise auf die Rutschgefahr.
Die Frau musste ins Krankenhaus gebracht und operiert werden. Den Schaden bezifferte die Geschädigte auf 97.299,39€, wobei Kosten für die Heilbehandlungen und Rehabilitation, Schmerzensgeld für die Folgeschäden, Verdienstausfall aufgeführt wurden.
Die Stahlplatten hatte ein Bauunternehmen vor vielen Jahren ausgelegt, um die Gehwegplatten der Fußgängerzone vor Schäden durch die Baumaschinen zu schützen. Die Baugenehmigung war zu dem Zeitpunkt des Unfalls längst abgelaufen.
Die Geschädigte konnte durch ein technisches Gutachten nachweisen, dass die Stahlplatten nicht die technischen Anforderungen für Rutschfestigkeit für Böden auf öffentlichen Gehwegen erfüllten.
Nach Auffassung des Konsultivrats hat die Gemeinde ihre Sorgfalts- und Überwachungspflicht verletzt, weil sie zum einen für die Verkehrssicherheit verantwortlich ist und zum anderen nicht dafür gesorgt hat, dass diese Platten wieder entfernt werden.
Letztlich billigte der Konsultivrat der Geschädigten eine Summe von 43.439,04€ zu. Die Frau hatte sich entschieden, notwendige Operationen nicht auf Fuerteventura sondern in der Schweiz durchführen zu lassen und dort auch ihre Reha zu machen. Die dafür anfallenden Mehrkosten lehnte der Konsultivrat ab.
Die Gemeinde Pájara muss letztlich rund 1,5 gute Beamten-Jahresgehälter bezahlen, weil sie nicht in der Lage war, die paar Stahlplatten beseitigen zu lassen oder wenigsten einen Gefahrenhinweis anzubringen. Beides wäre mit wenigen hundert Euro erledigt gewesen.
Die Frau muss den Rest ihres Lebens mit den Folgen ihrer Verletzungen leben.
Der Wirt der Tapasbar erzählte der Redaktion der Fuerteventurazeitung, dass er sich an diesen konkreten Fall nicht erinnern kann, möglicherweise weil er an diesem Tag nicht im Dienst war, bestätigte aber, dass auf den Stahlplatten „schon viele Menschen gestürzt“ sind.
Die Stahlplatten wurden an der Unfallstelle übrigens kurz nach Veröffentlichung des Gutachtens entfernt. Rund 50 Meter entfernt liegen aber immer noch solche Stahlplatten, die natürlich wieder nicht abgesichert sind.
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