Am 23. Oktober 2023 endete das 10. Internationale Bildhauer-Symposium der Gemeinde Pájara im Süden von Fuerteventura. Auch in diesem Jahr sind 6 respektable Skulpturen entstanden. Damit dürfte die Gemeinde Pájara nach 10 Ausgaben des internationalen Künstlertreffens über rund 60 Kunstwerke verfügen, von denen jedes einzelne im Schnitt rund 5.000€ gekostet hat.
Doch in 2023 war einiges anders als in den Jahren zuvor. Diesmal wählten 5 von 6 Künstlern weißen Marmor statt Stahl als Material für ihre Arbeit.
Noch ungewöhnlicher war jedoch der Austragungsort. Statt auf der Promenade in Morro Jable zwischen dem Hotel IFA Altamarena und dem Naturschutzgebiet am Leuchtturm hämmerten die Bildhauer diesmal in aller Abgeschiedenheit in La Pared. Hatten sich vielleicht zu viele Urlauber über den Lärm und Staub von Pressluftwerkzeugen und Gestank und Ruß von Dieselgeneratoren beschwert? Haben Naturschützer gegen den Lärm direkt am Vogelschutzgebiet des Saladar del Jandía protestiert? Wir wissen es nicht.
Einwohner von La Pared sehen Affront in der Wahl des Standorts für das Bildhauer-Symposium
Die teilnehmendem Künstler fanden den neuen Standort jedenfalls gut. In La Pared konnten sie ungestörter arbeiten, ohne dass Touristen sie ständig mit Fragen löcherten und von der Arbeit abhielten, erklärten sie der Redaktion der Fuerteventura-Zeitung. Das mögliche Ziel, den Touristen mit der Beobachtung der Entstehung der Kunstwerke ein interessantes Erlebnis zu bieten, wurde also diesmal nicht erreicht.
Als Schlag ins Gesicht empfanden dagegen zahlreiche Anwohner von La Pared den ungewöhnlichen Standort. Während die Einwohner bereits seit Jahren auf die Vollstreckung eines rechtskräftigen Gerichtsurteils warten, das die Gemeinde verpflichtet hat, für Dienstleistungen und Infrastruktur wie Beleuchtung, Gehwege und eine funktionierende Wasserversorgung zu sorgen, hatte die Gemeinde schon im letzten Jahr mehrere Stahlskulpturen auf der ansonsten völlig verwahrlosten Promenade aufgestellt.
Auf eben dieser Promenade, die durch verfallene Sitzbänke, und wie der überwiegende Rest von La Pared, durch kaputte Schachtdeckel, abgestorbenen Palmen und fehlende Beleuchtung glänzt, wurden nun auch die 6 neuesten Kunstwerke produziert.
Zur Überraschung der Einwohner war die Gemeinde übrigens in der Lage, das Künstlerlager mit Solarlampen zu beleuchten, so dass diese auch noch spät abends arbeiten konnten und das Werkzeuglager (aus Sicherheitsgründen?) nachts beleuchtet war, ein Service, der den Bürgern von La Pared seit Jahrzehnten vorenthalten blieb.
Verheißungsvoller Start
Zu Beginn des Symposiums hatte die Gemeinde voller Stolz ein großes Banner am Anfang der „Avenida von La Pared“ gespannt, um auf das Event hinzuweisen. Dummerweise riss der starke Wind bereits am ersten Tag das Banner teilweise ab. Zur Hälfte um eine Palme gewickelt, blieb das abgerissene Banner bis zum Ende der Veranstaltung in diesem armseligen Zustand hängen, völlig unbeachtet von den zuständigen Gemeindemitarbeitern, die jeden Tag daran vorbei fuhren.
Damit wurde schon das Banner zum Symbol für die Art und Weise, wie die Gemeinde Pájara seit Jahren mit dem Ort und dessen Einwohnern umgeht.
Am 11. Februar 2024, also rund 3,5 Monate nach Beendigung des Symposiums, stehen die Skulpturen noch immer in La Pared herum wie bestellt und nicht abgeholt.
Offenbar hat man auch bei der 10. Ausgabe des Symposiums im Vorfeld keinen Plan, wo die entstehenden Kunstwerke später überhaupt aufgestellt werden sollen. Dabei werden Erinnerungen wach an das Symposium im Jahr 2018, dessen Ergebnisse ebenfalls monatelang nicht an ihrem endgültigen Standort aufgestellt wurden.
Kunst voller Symbolik für den Verfall
Eines der neuen Kunstwerke zeigt einen Apfel in einem zerbrochenen Rahmen. Während der Apfel von der einen Seite noch lecker und appetitlich aussieht (so wie La Pared aus der Ferne), fällt dem Betrachter bei genauem Hinsehen auf, dass nicht nur der Rahmen, sondern auch der Apfel zerbrochen ist. Damit ist diese Skulptur ein regelrechtes Sinnbild für La Pared, denn in dem Moment, in dem man durch den Rahmen und an dem Apfel vorbei auf den Hintergrund achtet, sieht man deutlich, wie verrottet die dahinter liegenden Bank aussieht.
Ebenso sinnbildlich sind zwei weitere Skulpturen, die noch aus einer früheren Ausgabe des Symposium stammen. Ein Fisch auf einer Stahlsäule starrt auf eine abgestorbene Palme und auf eine Bank, an der Putz und Farbe schon lange abbröckeln. Auch auf eine defekte Straßenlaterne richtet sich sein Blick.
Etwas weiter in östlicher Richtung befindet sich eine weitere Skulptur, die aus zwei flammenartigen Stahlkonstrukten besteht. Eines der beiden Elemente war offenbar schlecht mit seiner Stütze verschweißt und ist in einer stürmischen Nacht umgefallen. Nun liegt die Flamme, quasi erloschen, schon seit Wochen am Boden, ohne dass es jemanden von der Gemeinde kümmern würde.
Zu fragil für Kunst im öffentlichen Raum?
In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu Schäden an Skulpturen gekommen, die im öffentlichen Raum ausgestellt wurden. Dies war vor allem dann der Fall, wenn poröse Materialien verwendet und filigrane Elemente herausgearbeitet wurden.
Leider sind Teile der Menschheit nicht mit ausreichend Verstand und Respekt ausgestattet, sodass es fast schon selbstverständlich erscheint, dass Skulpturen erklettert werden, um ein besonders schönes Selfie zu machen.
Auch bei einem der neu entstandenen Kunstwerke, das an einen Kokon erinnert, der an einer Säule festgesponnen ist, sind solche extrem filigranen Marmorelemente herausgearbeitet worden. Für den Künstler war das sicher eine große Herausforderung und das Ergebnis kann sich auch wirklich sehen lassen. Aber die Befürchtung liegt nahe, dass dieses Kunstwerk früher oder später von Kunstbanausen beschädigt wird.
Kunst als Tüpfelchen auf dem i
Wahrscheinlich hätten auch die Bürger von La Pared nichts dagegen einzuwenden, wenn der Ort durch das eine oder andere Kunstwerk geschmückt würde, wenn dieses quasi das Tüpfelchen auf dem i wäre.
Doch dafür müssen zweifelsfrei die Rahmenbedingungen stimmen, denn in einem Umfeld, das dem Verfall preisgegeben zu sein scheint, wirken Kunstwerke eher wie Ironie.
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