Einweihungsfeier der Casa Alta in Tindaya facht erneute Diskussionen über Chillida-Projekt an

Am 22. März öffnete die „Casa Alta de Tindaya“ zum ersten Mal seine Türen für die Öffentlichkeit, nachdem das Cabildo die Immobilie im Jahr 2010 übernahm, um es zu sanieren. Bei der Einweihungsfeier konnten die Teilnehmer die Räumlichkeiten des noblen Hauses durchlaufen und sich dabei in das 18. Jahrhundert zurückversetzt fühlen, in der es vermutlich erbaut wurde. Die Casa Alta ist ein einzigartiges Exemplar seiner Art innerhalb der inselüblichen Architektur. Obwohl ihr genauer Ursprung nicht über die Legenden hinaus bekannt ist, die man sich auf Fuerteventura bis heute erzählt, fällt mit Sicherheit auf, dass die Gebäudetypologie sich grundlegend vom traditionell bekannten Architekturmodell der Insel abhebt.

Lange Zeit war es das erste und einzige Gebäude, das sich über zwei Stockwerke erstreckte. In Anbetracht der Dimensionen sowie der noblen Beschaffenheit der zum Bau verwendeten Materialien wird vermutet, dass die Casa Alta zu jener Zeit von der Bourgeoisie der Insel in Auftrag gegeben wurde und somit vermutlich Bewohner aus der gehobenen Gesellschaft beheimatete. Die Legenden über ihren ersten Eigentümer, dessen Leben durch den bösartigen Einfluss der Hexen von Tindaya ein Ende fand, sind noch heute vielen bekannt. Erzählungen zufolge investierte ein aus Tindaya stammender Mann nach seiner Rückkehr aus Amerika einen Teil seines Verdienstes in die Casa Alta, um das prächtigste Haus der Umgebung zu bauen. Nachdem er damit fertig war, fanden ihn Bewohner tot am Fuße des Berges von La Muda auf. Man erzählt sich, dass das Haus verhext war und dass der Mann von den Hexen überlistet wurde. Unter dem Vorwand sein Werk aus der Weite betrachten zu lassen, lockten sie ihn auf den Gipfel des Berges und ließen ihn dann hinunterstürzen.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts befand sich die Immobilie schließlich lange Zeit im Besitz der Familie der „Coroneles“, der Militärbefehlshaber, die auf der Insel eine lange Herrschaftsgeschichte pflegten. Die Tochter des letzten „Coronels“ hinterließ die Casa Alta irgendwann dem Arzt der Familie im Dank für seine treuen Dienste. Von da an erlebte das Gebäude einen stetigen Verfall bis in das Jahr 2010, in dem es von Inselverwaltung und Kanaren-Regierung übernommen wurde. Nachdem es seit Mitte des 20. Jahrhunderts leer stand und vom einst so prächtigen Haus nur noch eine einzige Ruine übrig blieb, gab der schlechte Zustand infolge von Plünderung und Verfall Anlass zu ausführlichen Sanierungsarbeiten. Dabei wurden unter anderem die Mauern restauriert, der Innenraum für Besucher hergerichtet und ein komplett neues Dach angebracht.

Bei der anschließenden Eröffnungsfeier der Casa Alta als Besucherzentrum kam außerdem ein heikles Thema auf, bei dem sich schon seit Jahrzehnten die Geister scheiden. Die Ausstellung widmete sich zwei wesentlichen Bereichen, nämlich zum einen der archäologischen Fundstätte im Naturdenkmal des Berges Tindaya und seiner Umgebung sowie zum anderen dem umstrittenen Großprojekt des bekannten baskischen Bildhauers Eduardo Chillida. Im Hauptsaal des neuen Besucherzentrums können die sogenannten „podoformos“, also alte Steingravuren der kanarischen Ureinwohner im Berg von Tindaya bestaunt werden. Man sagt, dass diese Petroglyphen, die Abbildungen von menschlichen Füßen zeigen, zum Schutz vor bösen Geistern in den Berg gemeißelt wurden.

Hauptaugenmerk der gehaltenen Ansprachen lag dabei eindeutig auf der scheinbar problemlosen Vereinbarkeit der archäologischen und kulturellen Werte des „heiligen“ Berges mit einem spektakulären Kunstprojekt, das schon vor vielen Jahren für heftige Diskussionen sorgte. Bereits gegen Mitte der 80er-Jahre sprach der mehrfach preisgekrönte Bildhauer Chillida von seinem Traum, einen echten Berg auszuhöhlen und durch das geschickte Zusammenspiel von Lichtquellen, die aus unterschiedlich ausgerichteten Schächten des Berges kommen, im Inneren einen einzigartigen und mystischen Raum zu schaffen. Als der so sagenumworbene Berg von Tindaya für sein einmaliges „Museum der Leere“ perfekt zu sein schien, brachten Inselbewohner, Umweltschützer und anfänglich auch Inselpolitiker teils heftigen Widerspruch gegen das Projekt auf, das in ihren Augen ein unter Naturschutz stehendes Denkmal zerstören würde. Kurz vor dem Tod des Künstlers zeigten die Politiker der Insel zunehmend größeres Interesse an der geplanten Großskulptur und gaben schließlich sogar ihre offizielle Zustimmung, woraufhin Millionenbeträge für geologische Untersuchungen zur Verfügung gestellt wurden, um herauszufinden, ob die Morphologie des Berges überhaupt für ein solches Vorhaben geeignet ist. Bis heute ist unklar, wo das viele Geld letztendlich hineingeflossen ist, da die Bauarbeiten offensichtlich bis heute nicht begonnen wurden. Es kam sogar zu polizeilichen Ermittlungen, oft fielen auch die Begriffe Veruntreuung und Korruption. Viele Jahre sind seitdem vergangen, geändert hat sich jedoch so gut wie nichts. Befürworter setzen sich ebenso vehement für das Chillida-Projekt ein, wie Gegner versuchen, es zu stoppen. Nach der Einweihung der Casa Alta und der damit verbundenen Anpreisungen des Projekts seitens des Cabildo schlossen sich zahlreiche soziale Gruppen, Umweltschützer und Gewerkschaften der Insel zu einer Volksversammlung zusammen, um ihre Ablehnung gegen eine Aushöhlung des Berges offen zu demonstrieren. Ebenfalls in der Hoffnung, das Projekt stoppen zu können, wurden kürzlich außerdem bis zu 7000 Unterschriften gesammelt und der kanarischen Regierung vorgelegt.

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